Mit seiner Falsettstimme hat Horace Andy Musikgeschichte geschrieben. Internationale Bekanntheit verdankt er insbesondere seiner Kooperation mit Massive Attack. Der 67-jährige Reggae-Sänger tritt im Zürcher Kaufleuten auf.
Knut Henkel
Scheinwerfer erfassen den Mann mit den graumelierten Dreadlocks. Wie eine Statue steht Horace Andy am Mikrofon. Und während nun die ersten Akkorde von «Angel» ertönen, schwingt sich seine hohe, markante Stimme über die treibenden Beats zweier Schlagzeuger.
Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Horace Andys Falsettgesang zählen die Masterminds von Massive Attack zu ihren wichtigsten musikalischen Inspirationen. Deshalb nahmen sie mit dem Sänger aus Kingston Ende der 1980er Jahre Kontakt auf und luden ihn ein zu den Aufnahmen ihres Debütalbums «Blue Lines». Seither ist Horace Andy immer dabei, wenn Massive Attack ins Studio gehen oder auf den internationalen Bühnen auftreten wie diesen Sommer.
Gesänge aus dem Hinterhof
An die Tour der Briten hängt Horace Andy nun gleich auch noch ein paar Konzerte unter seinem Namen an. Es hat allerdings eine gewisse Zeit gedauert, bis sich der mittlerweile 67-jährige Sänger, dem namhafte Kollegen die «süsseste Stimme des Reggae» attestieren, in der Musikszene durchsetzen konnte.
Mitte der 1960er Jahre, mit gerade einmal 16 Jahren, entschloss sich Horace Hinds, so sein bürgerlicher Name, sich beruflich als Sänger zu versuchen. Freunde, mit denen er in einem Hinterhof in Kingston die neusten Hits intonierte, hatten ihm geraten, in die Fussstapfen seines Cousins Justin Hinds zu treten. Für den Teenager schien das zu viel der Ehre, sein Cousin war damals in Jamaica eine grosse Nummer. Gemeinsam mit The Dominoes hatte er die Charts mit groovenden Ska- und Rock-Steady-Hits durcheinandergewirbelt.
Nach ein paar Monaten und fleissigem Üben – im Badezimmer seines Elternhauses – klapperte Horace Hinds dann aber doch die einschlägigen Studios in Kingston ab. Phil Pratt vom Caltone-Label gab ihm 1967 eine Chance. Seine erste Single, «This Is a Black Man’s Country», allerdings floppte. Der junge Mann liess jedoch nicht locker, als Backgroundsänger und in einem Duo mit Frank Melody knüpfte er neue Kontakte. Schliesslich erhielt er im Studio One des legendären Produzenten Coxsone Dodd eine zweite Chance. Er nutzte sie und bekam vom Grandseigneur der jamaicanischen Musikszene auch gleich seinen Künstlernamen Horace Andy verpasst – damit er nicht mit seinem Cousin verwechselt würde.
Den Cousin jedoch stellte Horace Andy mit seinem Debütalbum gleich in den Schatten. «Skylarking» enthielt nicht nur den Titelsong, bis heute ein Evergreen, sondern auch Songs wie «Just Say Who» oder «Please Don’t Go». Mit dem Album hatte der damals 18-jährige Sänger eine Punktlandung ganz oben in der jamaicanischen Reggae-Szene deponiert. Eine Position, die er in den Folgejahren mit weiteren Nummer-eins-Hits wie «Something on My Mind» bestätigte, bevor er Mitte der 1970er Jahre die Arbeit mit dem Musikproduzenten Bunny Lee aufnahm und sich musikalisch in Richtung Dub weiterentwickelte.
Eine Visite in Bristol
Auch den Dancehall, der Ende der 1970er und 1980er Jahre in und ausserhalb Jamaicas Fuss fasste, hat Horace Andy mitgeprägt. «Pure Ranking» von 1978 gilt als eines der Alben, die dem Genre den Weg ebneten. Damals aber war der Mann mit der süssen Stimme schon in die USA übergesiedelt, wo er Erfahrungen als Produzent und Labelchef sammelte. Mitte der achtziger Jahre schliesslich reiste er nach London aus, um den britischen Markt auszukundschaften.
In London arbeitete Horace Andy mit Bim Sherman und dem Dub-Virtuosen Mad Professor zusammen, bevor ihn ein alter Freund nach Bristol lotste. «Er hatte mich informiert, dass es da eine Band gebe, die einen Sänger suche», so erinnert sich Horace Andy mit einem breiten Grinsen. Die Band hiess Massive Attack, und Horace Andy genoss die Kooperation in vollen Zügen: «Robert Del Naja hat mich singen lassen, wie ich es selbst nicht für möglich gehalten hätte», sagt der experimentierfreudige Sänger lobend über seinen Förderer.
Parallel dazu ist er eingetaucht in die elektronische Musik, hat sich weiterentwickelt und ausgetretene Pfade verlassen. Die künstlerische Wandlungsfähigkeit ist ein Charakteristikum dieses Sängers, der heute zwischen den USA, Jamaica und England pendelt und auch mit 67 Jahren noch vor Kreativität sprüht. «Die Leute können nicht erwarten, dass ich immer noch den gleichen alten Sound mache», erklärt er. Im Moment würde er gerne einmal mit Damon Albarn zusammenarbeiten. Geplant ist auch die Auseinandersetzung mit ihm noch fremden musikalischen Welten. Mit arabischen, afrikanischen und auch asiatischen Musiktraditionen habe er sich allerdings bereits beschäftigt.
Konzert: Horace Andy & Dub Asante Band, Zürich, Kaufleuten, 12.August.
Knut Henkel
Ueli Bernays